Felipe Mey 

16.tes Jahrhundert

 

 

 

In Übersetzungen von:

Johann Melchor Diepenbrock

 

 

 

Gebet

 

Wie darf ich hoffen, daß mein kaltes Beten

bei dir, o Gott, Erhörung werd erlangen,

wenn, während Zung und Lippen Heil verlangen,

das Herz sich freut der Wunden, die es tödten?

 

Du, Herr, vor dessen Blick nicht Schatten treten,

versage du dem Wilden sein Verlangen;

mach heil die Seele von dem Riß der Schlangen;

gib, was der Mund, nicht was die Sinne flehten!

 

Dem Bittenden verzeihn, was er bereuet,

und leiten den, der Folgsamkeit verheißen,

ist Edelmuth, wie Menschen ihn beweisen:

 

Entfesseln den, der sich in Feßeln freuet,

Und mit Gewalt der Hölle ihn entreißen,

das, Herr, sind deiner Gnad allmächtge Weisen!